
Krisen eröffnen Möglichkeiten. Im Sommer 2020 stand bei uns in der Familie der 1. Schulwechsel in die weiterführende Schule an. Die neuen Fünftklässler hatten auf Gemeinschaft und Begegnung, auf Abschlussfahrten und Klassenfeiern verzichten müssen. Nach den Osterferien waren die Schulen geschlossen geblieben. Zwischen dem 16. März und dem 15. Juni waren die Grundschulkinder nicht mehr gemeinsam im Klassenverbund zusammengekommen. Ihre Aufgabenblätter hatten die Kids bis zum Beginn des sogenannten Wechselunterrichts am 4. Mai 2020 einmal wöchentlich in der Schule abgeholt.
Im Herbst 2020 entschieden die Schulleitungen schnell und auf kurzem Weg Microsoftkonten für alle Kinder einzurichten und teilten mit: „Wir sind in einer Pandemie, es geht um die Aufrechterhaltung des Unterrichts. Microsoft Office 365 ermöglicht einen Unterricht in Form einer Videokonferenz, Das deutsche Softwareprodukt iServ ist instabil.“ Fast nebenbei unterzeichneten die Eltern, die die Erlaubnis zur Nutzung der Bildrechte und der persönlichen digitalen Daten ihrer Kinder – jetzt auch durch Microsoft.
Das pädagogische Personal wurde 2020 eilig in Microsoft Teams geschult. Die Schulleitung und das Technikteam der Schule wiesen die Lehrerschaft an, Microsoft Teams zu nutzen. Um das leidige Thema Datenschutz und um die „Behandlung“ der 2% kritischen Eltern würde man sich später kümmern.
Derweil warben die Kommunalpolitiker mit „iPads für Alle“ als Allheilmittel für Pandemie, Schulschließungen und Anschluss an die Zukunft.
Die Kids saßen im Winter 2020/2021 dann im „sogenannten“ Digital-, bzw. Distanzunterricht in ihren Zimmern auf den Betten. Wenn die Teams-Videokonferenz vorbei war, hingen sie weiter am Rechner und verabredeten sich zum Zocken oder schauten Serien. Parallel getrackt durch Microsoft, Apple und Co.
Digitale Schule?
Microsoft und Apple haben die Krise gut genutzt. Ihr Einstieg in die Schulen scheint gelungen.
Schulen- und Universitäten als Bildungseinrichtungen sind Orte an denen vor allem soziales Miteinander geschieht, gelernt und geübt wird. Das reale Leben, Begegnung, Berührung, Austausch brauchen wir als reale Erfahrung, um das Verhältnis Mensch und Maschine gestalten zu können.
Digitale Prozesse zu verantworten setzt eine Persönlichkeit voraus, die eine Vorstellung davon entwickeln kann, was eine Mensch-Maschine-Verbindung für eine Wirkkraft entfalten kann. Eine sozusagen ganzheitliches Datenverständnis wäre eine wichtige Medienkompetenz der Zukunft.
„Digitalisierung der Schulen“ sollte nicht mit der Schaffung von Hardwareabhängigkeiten oder einer Festlegung mit langfristigen Softwarelizenzen begonnen werden, sondern parallel, selbstbewusst mit einer offenen Debatte zum Thema Daten- und Softwaresouveränität gestaltet werden.
Politik, Schulleitungen und Eltern können die Situation – auch die Erfahrung der Abhängigkeit, die durch den Ukrainekrieg deutlich wurden – nutzen, wenn sie herausarbeiten, welche Räume zum Forschen und Denken sie den Kindern ermöglichen möchten, um Zukunft intelligent, fröhlich und datensouverän zu gestalten.
Als Softwareentwicklerin wäre ich interessiert von einem Softwareprodukt zu erfahren, welches pädagogisch wertvoll, digital in der Mittelstufe zur Lernstoffvermittlung im Distanzunterricht eingesetzt werden könnte. Videoschalten mit 30 Kindern, die nicht länger als max. eine Stunde zumutbar sind, sind es wohl nicht.
Mit einem guten Informatik- oder Physik Präsenzunterricht und auch mit einem analogen Geographie-, Deutsch- oder Matheunterricht können Schulen und Lehrer viel selbstbewusster auftreten als sie es aktuell tun. Es gibt viele Gründe, um die Wissensvermittlung außerhalb des Digitalen im Schulalltag wertzuschätzen – auch im Hinblick auf die Gestaltung einer digitalen Zukunft.

Ein neues Schuljahr könnte auch ein guter Startpunkt für Schulen und Medienverantwortliche sein, um ihre vagen Strategien „Digitale Schule“ nochmal auf Wiedervorlage zu legen.
Evt. auch interessant: https://netzpolitik.org/2020/office-365-in-der-schule-grobe-verletzungen-datenschutzrechtlicher-vorschriften/ (Aus 2020, hat jedoch nichts an Aktualität verloren)