Münster ist eine besondere Stadt in NRW. Münster ist die Stadt, in der alle Kinder ab 13 Jahren von den Stadtpolitikern ein Apple-Tablet erhalten. Eltern mit Kindern der 8. oder 9. Klasse erfahren bei Elternabenden, dass das jetzt so ist. Vormittags im Schulmodus und Nachmittags im Freizeitmodus – immer online.

Medienentwicklungspläne, Digitallabore für Lehrerinnen und Lehrer… die Stadt feiert sich in ihren Pressemitteilungen für ihr digitales Programm. Sie findet sich smart und zukunftsorientiert. Doch wer kennt sich wirklich aus? Was ist der Freizeit- und der Schulmodus in diesem Programm?

Ich habe recherchiert: Der Freizeitmodus ist der Modus, in dem die 13-Jährigen jegliche App auf ihren persönlichen Schultablets installieren können und unbegrenzt und ungefiltert Zugriff auf das Internet haben und dies – aufgepasst (!) – auf ausdrücklichen Wunsch der Politikerinnen und Politiker der Stadt Münster.

In die Planung des digitalen Freizeitprogramms wurden Sorgeberechtigte und Kinder nicht einbezogen. Dazu hätten die Politiker ein Verständnis für die Folgen dieser Form des Medieneinsatzes gebraucht. Sie hätten verstehen müssen, wie tief sie in den Alltag der Familien eingreifen, dass nämlich Teenager mit und ohne Lernschwierigkeiten, die sie mit Tablets zur Freizeitgestaltung ausstatten, ihre Freizeit auch mit den Geräten verbringen.

Alle wurden mit dieser Maßnahme überfordert, die Schulen, die Familien, die Wohngruppen und die Kids selbst. Es ist wohlfeil von politischer Seite, die Maßnahme als „Teilhabe“ zu rahmen. Es ist etwas grundsätzlich anderes, ob die Stadt an alle Schülerinnen und Schüler die Geräte verteilt oder ob es eine private Entscheidung sind. Und es ist ein eklatanter Unterschied, ob die Geräte im Schul- oder im Freizeitmodus betrieben werden.

Das Schillergymnasium (2024), die Realschule im Kreuzviertel (2020) und die Realschule in Wolbeck (2023) haben sich inzwischen gegen die politischen Leitsätze der sogenannten Medienentwicklungsplanung der Stadt Münster entschieden und nach Schulkonferenz- und Schulleitungsbeschlüssen und Elternbefragung den Freizeitmodus deaktiviert. Eine mutige und wegweisende digitale Emanzipation.

Eltern in Bonn staunen, mit was sich Münsteraner Eltern beschäftigen müssen. In Bonn, beispielsweise am Kardinal-Frings-Gymnasium, findet der Unterricht bis zum Ende 10 Klasse analog statt. Ja, und klar, digitales Lernen findet auch und gerade dort statt. Tablets zur Freizeitgestaltung wurden nicht verteilt. Die Schule ist jedoch weithin bekannt für tolle Musikprojekte.

Zuerst veröffentlicht in na dann… Wochenschau für Münster