Es ist das 1. Wochenende im Juni, das Pfingstwochenende 2022 und durch die Stadt weht ein fröhlicher und ausgelassener Geist. Beim Joggen durch den Park früh am Morgen lächeln mich Entgegenkommende an. Die Cafés im Stadtzentrum quellen über. Die Menschen kaufen sich Kleidung, um sich für den Abend chic zu machen.
Die Kinder sind aufgeregter als an Weihnachten, seit Tagen proben sie und probieren unterschiedliche Outfits für die Aufführung aus.
An diesem Freitagabend findet in der Schule, nach zwei Jahren zum 1. Mal wieder ein großes Happening statt. Die Aula ist dicht gefüllt mit erwartungsvollen Eltern, Freunden und Gästen. Die Kinder und Jugendlichen aller Jahrgänge führen auf was sie können. Sie sind Sängerinnen, Musiker, Schauspieler, Künstler und Köche.

Wir sitzen in der Menge, dicht gedrängt und spüren und genießen die Wende. Alle sind wieder zusammen, sehen sich an, winken sich zu, applaudieren, feiern und stehen zusammen und plaudern.
Am Samstagabend ist der Dom gefüllt. 80 Chorkinder führen mit Orchester und Solisten Haydns Schöpfung auf. Wir sitzen da und staunen, wie viele Kinder es gibt, wie schön ihre Stimmen klingen und wie wunderbar alle zusammen, Große und Kleine, Profis und Laien, uns, das Publikum beglücken, mit Musik, mit einem so großen Miteinander.

Heute, am Pfingstsonntag weht der Geist in der voll besetzten Kirchenschiff. Alle, die Gemeinde, das Orchester und der Chor lassen sich tragen von der Pfingstkantate Bachs (BWV 74). Wir stehen im Chor dicht beieinander und ich fühle mich beschenkt.

Nach zwei Jahren erwacht das Leben, das Miteinander. Ich unterhalte mich mit einem älteren Mann, der mit mir in dem Projektchor singt. Seine Frau hat ihm eine schwarze Mappe für die Noten gegeben. Auf dem Mappenrücken steht: „KFZ u. Vers.“. Wir reden darüber, wie glücklich wir sind, mitsingen zu können. Kein Wort über Covid.
Im Gottesdienst haben noch einige Besucher Masken auf. Das ist o.k., alles braucht seine Zeit. In der Schule am Freitag wurde die neue Zeit extra begrüßt und gefeiert. Keiner trug mehr eine Maske.
Es ist so schön, dass die Musikerinnen und Musiker, Künstler und Darstellerinnen, Theater- und Gottesdienstbesucher sich wieder frei begegnen und die Gegenwart feiern, ohne Vorschriften und Angst.
Wir haben heute beim Mittagessen mit Freunden in alten Zeiten geschwelgt. Vielleicht bekommen wir 2022 doch noch Karten für ein Seeed Konzert? Vorher haben wir aber noch Hochzeiten nachzufeiern. Ich habe mir dafür ein neues Kleid gekauft.