Die mediale Wirkung des Correctiv-Berichts im Januar 2024 hat mich überrascht. Nicht deshalb, weil ich nicht auch interessiert bin, über extremistische politische Machenschaften aufgeklärt zu werden, sondern es hat mich überrascht, weil ich den Correctiv-Text als völlig unseriös empfand und es nicht für möglich gehalten hätte, dass die Leitmedien ihre Nachrichten damit aufmachten. Es hat mich sehr gestört, dass der Bericht als Theaterstück aufgezogen war und völlig ohne Tatsachen oder Zitate, Protokolle oder Beweise daherkam. Das lernt man doch in der 7. Klasse, dass man über seriöse Fakten, falls es welche zu berichten gibt, nicht in dieser Form schreibt.
Die Tatsache, dass ARD und ZDF den Stil nicht hinterfragten, nicht nach Belegen und Tatsachen fragten, sondern die Geschichte noch aufbliesen, fand ich wirklich skandallös und mir wurde ganz schwindelig vor lauter krassen Formulierungen, die mit einem Mal im Raum schwebten und auf Plakaten standen. ZDF und ARD sind zwar die Formulierungen von damals inzwischen juristisch untersagt, aber in den Köpfen Vieler sind sie nicht verschwunden. Ich habe bis heute wenige Personen getroffen, die den Correctiv-Text gelesen haben. Ja, dass die Leitmedien es sogar schafften auf Grundlage dieses Textes Massendemonstrationen auf die Straße zu bringen, dass hat für mich zu erheblichem Unwohlsein gefühlt. Nicht wegen des Themas, sondern weil ich nach Covid ein 2. Mal in kurzem Abstand lernte, wie schnell und einfach eine große Masse „zu bewegen“ ist. (siehe auch: Demos gegen Rechts)
Ich habe mich jetzt sehr gefreut, dass die ZEIT Journalisten Anne Hähnig und Marc Widmann sich die Hintergründe des Berichts und die Formulierungen noch einmal genau angesehen und mit 10 Teilnehmern des damaligen Treffens und den Correctiv-Reporter Jean Peters und dem Chefredakteur Justus von Daniels gesprochen haben.
Correctiv erlebte den größten Erfolg seiner elfjährigen Geschichte, schreibt die ZEIT. Der Text wurde vier Millionen Mal aufgerufen.
Hier ein Ausschnitt aus dem ZEIT Artikel vom 08.01.2025
[…] Die Frage ist allerdings, ob die Kernthese des Corretiv-Texts zutrifft: dass die Potsdamer Konferenzgäste die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant hätten. Alle Teilnehmer des Treffens, mit denen ZEIT gesprochen hat, bestreiten das. […] Und was sagt Correctiv? Ein Besuch in der Redaktion, Anfang November in Berlin. Neben Chefredakteur Justus von Daniels ist auch der Reporter Jean Peters zum Gespräch gekommen. Er hat damals vor Ort in Potsdam recherchiert, sich während des Treffens unter falschem Namen in einem Zimmer des Landhauses eingemietet. Von dort hat er beobachtet und fotografiert. […] Peters kann lebendig von der Recherche erzählen, einmal imitiert er sogar, wie genau Martin Sellner ein bestimmtes Wort mit seinem wienerischen Akzent in die Länge gezogen habe.
Peters ist auskunftsbereit, aber auf einfache Fragen nach dem, was in Postdam geschah reagiert er bisweilen unwillig: „Wirklich? Ist das die Frage?“ Ein anders Mal fragt er: „Was machen wir hier gerade?“ […]
und weiter…

Auf den folgenden frei verfügbaren Artikel wurde ich jetzt durch den ZEIT Artikel aufmerksam. https://uebermedien.de/97285/der-correctiv-bericht-verdient-nicht-preise-sondern-kritik-und-endlich-eine-echte-debatte/