Es ist 7 Uhr morgens. Mein Kind hat sein Schul-Tablet nicht aufgeladen, es sagt keinen Mux. Ich muss selbst nach dem Link zur Krankmeldung „fahnden“. Ich klappe meinen Laptop auf, es poppt ein Updateprozess auf: 4 min, da kann ich mir schnell die Zähne putzen! Wie heißt die Seite nochmal? Ich google mich auf die Schulwebsite, schlucke den Cookie, aber eine Link des neuen Anbieters zur Eintragung des Gesundheitszustandes meines Kindes finde ich nicht. Ich habe Eile!
Dann eben erst der Onlinetermin beim Arzt. Mein Mailkonto spinnt, ich erhalte keine Bestätigungsmail, sondern eine Fehlermeldung. Mir wird vorgeschlagen, ich könnte einen Zugriff auf mein Konto über eine 2-Faktor-Authentifizierung vornehmen, hierzu müsste ich eine App herunterladen… Ich werde nervös. Der Lehrer aus dem IT-Team hat mich mit 100 anderen Eltern in der letzten Woche in der Aula aufgeklärt, dass die Kinder bis 7:20 Uhr digital krankgemeldet sein müssten, da sonst die Lehrer zu Beginn des Unterrichts beim Abgleich des Digitalen Classroom – mit der Zahl der Kinder im Klassenraum von einem Verbrechen oder einem Unfall ausgehen müssten. Es gehe dabei um Sicherheit. Außerdem: die zugenommenen Krankmeldungen könnten nicht mehr analog bewältigt werden.
Ich kapituliere. Ich gebe dem Nachbarskind eine papierne Entschuldigung für das Sekretariat mit, mit der Bitte mein Kind für die kommenden 3 Tage wegen einer Grippe mit Fieber, in die digitalen Systeme zu übertragen. Bis dahin muss mein Kind als „vermisst“ gelten. Zum Glück tracken die Nachbarn ihr Kind, so kann ich sicher sein, dass die Entschuldigung auch ankommt. Kann ich es wirklich? Ich schicke schnell noch eine Nachricht hinterher. Jetzt werde ich etwas ruhiger werde.
Auf dem Weg zur Arbeit schöpfe ich neue Zuversicht und hänge mich in die Hotline des Mailproviders. 18 Minuten Wartezeit, es werden 20. Dann die Info, man könne mir nicht helfen, der Service sei ausgelagert worden. Ich müsste mich an Microsoft wenden.
Ich werden mir ein neues Mail-Konto einrichten und mich für 2 Tage krank melden, um den Mailwechsel zu organisieren. Habe eh Migräne. GoogleMail solls werden. Ich brauche zügig eine Kreditkarte, GooglePay und ein Paypal-Konto… sonst wird langsam peinlich. Ich werde endlich Zeit haben, meine elektronische Patientenakte so einzustellen, dass mein Hausarzt nicht sieht, dass ich wegen meiner Erschöpfungszustände in Behandlung bin. Das wurde mir von Freundinnen geraten. Jetzt schießt mir in den Kopf: Ich vergessen habe, meinem Kind einen Kuss zu geben, bevor ich aus dem Haus gestürmt bin. Ich schicke ein Herz-Emotii, lasse ihm ne Sprachnachricht da… Zum Glück hat es das Schultablet, so wird ihm nicht langweilig.
[Die Personen sind erdacht, die Text ist dem realen Alltag entnommen.]