Notizen, Gedanken, Reflexionen, Fundstücke

Schlagwort: Oersdorf

23. Dezember Erinnerungen

Gern fuhr ich auch mit meinem Vater am 23. oder 24. Dezember los. Er hatte vorher Bücher und Kalender aus dem kleinem mobilen Buchladen meiner Mutter, den sie für die Leute im Dorf und in der Gemeinde betrieb, herausgesucht, verpackte diese und schrieb eine kleine Karte dazu.

Dann fuhren wir in die Deinstedter Bauernschaften, „Aue“, „Jerusalem“ und „Rohr“ und zu anderen entlegenen Bauernhöfen in Klein-Reith, Mojenhop usw..

Überall waren die Leute entweder allein oder alt oder verwandt.

Ich mochte es, in den Stuben der Alten zu sitzen und mir alles anzusehen, während die Erwachsenen sich unterhielten. Auch ein Weg durch den Garten und den Stall gehörte zu so einem Besuch. Ebenso wie mein Vater, schätzte ich mich glücklich, noch etwas zu den „Deinstedter Bauern“ zu gehören, schließlich war mein Opa auch einer von ihnen.

Zwischendurch, auf der Fahrt versuchte ich ihn davon zu überzeugen, dass ein Tannenbaum doch so schön sei. Ich konnte es einfach nicht verstehen, warum wir nur die Krippe hatten und so peinliche Kiefernzweige. Andere hatten Glitzer- und Kugeltannenbäume und glaubten doch auch an Gott!? Ich wusste, dass mein Vater bei dem Thema nicht das Sagen hatte, aber er hatte guten Einfluss auf meine Mutter und ein Gespräch mit ihm hatte schon bei anderen Themen „funktioniert“. Meine Mutter war der Ansicht, es wäre nicht umweltfreundlich, den Baum einfach abzusägen und ich wusste, sie hatte nicht viel für Glitzer über.

Irgendwann war ich erfolgreich, wenn auch nur ein Teilerfolg. Die Tanne war klein und in einem Topf eingepflanzt. Ich schmückte das Bäumchen mit viel Hingabe mit Strohsternen und roten Holzperlenketten. Ich war zufrieden.

Auszug aus einem Text von mir „Wie wir lernten, die Kupplung langsam kommen zu lassen“, 2004 (Meinem Vater zum 60. Geburtstag)

Wintervorbereitungen

Kindheitserinnerungen (1980er Jahre)

[…] die Herbstferien standen im Zeichen der Vorbereitung auf den Winter. Ich weiß nicht, ob mein Vater oder meine Mutter die Idee hatte oder ob wir so ärmlich aussahen, dass man uns fragte, jedenfalls riss es irgendwann ein – Wir gingen in den Herbstferien, die in Niedersachsen den Beinamen „Kartoffelferien“ trugen, Kartoffeln aufsammeln.

Meine beiden Brüder, meine Schwestern und ich hatten ganz viele weiße leere Farbeimer zusammengesucht und das älteste an Klamotten an, die man sich denken konnte.

Wir hofften dann immer, dass der Kartoffelroder, der vor uns über den Acker gefahren waren, so schlecht gearbeitet hatte, dass wir wenigstens einige dickere Kartoffeln finden würden. Ansonsten ging es einfach nur so langsam voran und nach ein paar Stunden suchen und sammeln, hatten wir das Gefühl, dass wirklich bald eine Hungersnot über uns käme und wir uns dankbar von den kleinen winzigen Kartoffeln ernähren würden müssen.

Wir sammelten oft auf Krögers Acker am Wieh. Tante Anni Kröger rief meine Mutter an, wenn es wieder Zeit war. Die Bauern freuten sich über einen „geputzten“ Acker.

Das Sammeln lief in der Art ab, dass immer abwechselnd jemand auf dem Trecker saß und im Ackergang und ohne Führerschein (was auch etwas aufregend war) wieder ein Stück weiterfuhr und wieder anhielt und wir anderen an der Seite und dahinter sammelten. So fuhren und schritten wir den gesamten Acker ab, mit dem Gesicht zum Boden und mit schwerer werdenden Eimern, die wir dann mit Schwung auf dem Anhänger abkippten.

Meine Mutter, die natürlich auch mitkam, erklärte uns dann in den vielen Stunden bei der Arbeit, dass wir nicht verschwenderisch leben wollten und dass es Kinder gebe, die sehr viel weniger hätten als wir.

Ich weiß nicht, ob wir damals schon einsichtig waren, aber es machte auch Spaß, zumindest an sonnigen Herbsttagen und weil Mama dann immer einen Picknicktasche mit Marmorkuchen und roten Saft für die Pause am Feldrand dabeihatte. Außerdem lernten wir Kinder die Kupplung langsam kommen zu lassen. Arbeiten, bei denen wir den Trecker brauchten, einen Porsche mit 19 PS, machten anders Spaß, als Arbeiten mit Harke und Besen […]

Tante Grete, unsere Nachbarin sagte, dass die kleinen Kartoffeln am besten schmeckten. Sie bereitete eine riesige leckere Bratpfanne daraus für alle zum Abendessen zu.

Auszug aus einem Text von mir „Wie wir lernten, die Kupplung langsam kommen zu lassen“, 2004 (Meinem Vater zum 60. Geburtstag)

210 Jahre, 9 Generationen ist es her, seit – 1812 – die Oersdorfer Schulgeschichte begann

Ich bin in einer Schule aufgewachsen, genauer in der Lehrerwohnung des 1929 erbauten Schulhauses im niedersächsischen Oersdorf. Mein Vater hatte hier die letzten Jahre, bis zu ihrer Schließung, unterrichtet und das Gebäude dann 1972 gekauft.

Im Keller unter dem Klassenraum blieben nach der Schließung der Schule in den Regalen die Unterrichtsmaterialien liegen: Reagenzgläser, Flüssigkeiten in kleinen Gläsern mit Korkverschlüssen, Kartenständer, Landkarten, Steinsammlungen, Bälle und Maßbänder für den Sportunterricht. Auf dem Dachboden lagen Portraits von Goethe und Schiller.

Mit meiner großen Schwester am Gartenzaun vor unserem Haus, 1975

Die Schule gehörte jetzt meinen Eltern. Ich war ein Kind und die Schule seit wenigen Jahren geschlossen. Die Bedeutung und die Erinnerungen der Familien im Dorf an „ihre“ Schule waren mir als Kind natürlich nicht bewusst. Ich liebte es, beim Blick in die Regale darüber nachzudenken, wie das Schulleben wohl früher war. Ich stellte es mir als Kind idyllisch aber auch aufregend vor.

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